Urlaubsgrüße aus USA Teil 16

WernerII

Aktiv-Mitglied
Mein Auto
T5 Kastenwagen
Erstzulassung
Juli 2006
Motor
TDI® 96 KW
DPF
nein
Motortuning
warum nur?
Getriebe
6-Gang
Antrieb
4motion
Ausstattungslinie
Basis
Umbauten / Tuning
Womo
höhergelegt
Hallo,

viele Spaß beim Lesen.
Werner

Als nächstes muß ich Chicago abarbeiten. Ich fahre mit dem Auto auf der Autobahn bis in die Nähe und den Rest bis in die Innenstadt mit einem Pendlerzug, der ca. 1 Stunde benötigt. Neben der Autobahn sehe ich, wie ein kleines Flugzeug auf einem Grasstreifen startet. Da es morgens bewölkt ist, nehme ich den Schirm mit - damit es nicht regnet. Da ich mich auf meinen Schirm verlassen kann, nehme ich auch den Hut gegen die Sonne mit. Als ich aus der Unterführung vom Bahnhof heraufkomme, liegt die Stadt vor mir im Sonnenschein. Die Gebäude an der Michigan st. machen schon was her. Mir gefällt Chicago besser als NYC. Die Atmosphäre scheint mir freundlicher und die Gebäude sind mindestens genauso representaiv. Es ist gerade Mittagszeit, und Leute sitzen in den Parks und auf den Plätzen und essen. Eine Band von Straßenmusikern spielt Reggae Musik. Okay, das gibts in NY auch. Für mich ist Chicago die Stadt von Jake und Elwood, die Stadt der Blues brothers, da passt Reggae nicht so recht. Trotzdem nicht schlecht. Die Hochbahn dreht in der Stadtmitte ihre Runden. Sie macht viel Krach. Jake musste das in seinem Zimmer daneben auch ertragen. Normalerweise halten US Autofahrer, wenn Fußgänger nur in der Nähe vom Straßenrand stehen und vielleicht, möglicherweise, unter Umständen die Straße überqueren wollen. Hier ist das anders. Hier hat der Stärkere Vorfahrt. Wenn hier die Autos auch bei grüner, bzw. weißer Fußgängerampel draufhalten, verschiebt man lieber die Überquerung der Straße. Schade, daß die Autobahn die Stadt vom Michigan See trennt. In der Stadt gibt es die Chicago police, die Illinois state police und county sheriffs. Ich frage einen Polizisten, was das soll. Eine richtige Antwort bekomme ich nicht, ist halt so. Auf der Rückfahrt sehe ich vom Zug aus ein paar Häuser, die mir aus einem Fernsehkrimi bekannt vorkommen. Erst als ich nachmittags wieder „zu Hause“ bin, ziehen dunkle Wolken auf. Auf meinen kleinen Schirm ist halt verlaß. Es schüttet herzhaft, wie die letzten Tage auch, für ca. eine ½ Stunde. Danach liegt die Luftfeuchtigkeit bei 60%.
Nördlich von Chicago ist touristisch erst mal nicht mehr viel los. Es gibt nicht mehr viele Womos. Auf den Walmart Parkplätzen wird es wieder ruhig.
Wisconsin durchfahre ich auf der Autobahn ohne Besichtigungsstopp. Die Autobahn ist teils in ziemlich schlechtem Zustand. Im Süden überwiegt Landwirtschaft, im Norden fahre ich stundenlang durch Wälder. Auf der Brücke von Superior nach Duluth sehe ich den lake Superior zum 1. mal. Im Hafen liegen Hochseeschiffe. Der See ist riesig und sieht eher wie ein Meer aus. Duluth ist bereits Minnesota. Dob Dylan stammt von hier. Beide Orte machen einen netten und teilweise wohlhabenden Eindruck. Das hätte ich so abseits der Metropolen nicht erwartet. In ufernähe gibt es viel Brachland. Da scheint eine alte Industrie weggebrochen zu sein. Hwy 61 nord östlich von Duluth führt am See entlang und ist in der Karte als sehenswert gekennzeichnet. Auch wenn die Straße streckenweise nur ein paar Meter vom Ufer entfernt verläuft, kann man wegen dichtem Wald wieder mal kaum etwas sehen. Hwy 1 führt ins Landesinnere und ist ebenfalls als sehenswert gekennzeichnet. Wer dichten Wald mag, wird die Straße lieben.
Mein Ziel nächstes Ziel ist Voyageurs NP an der kanadischen Grenze. Voyageure sind französische Trapper und Fallensteller, die vor 200 oder 300 Jahren Bieber wegen ihren Fellen gejagt haben. Sie sind im Herbst von Montreal in Birkenkanus über die großen Seen und über die Flüße bis nach west Can. und nordwest USA gepaddelt, haben im Winter gejagt, und sind im Frühjahr zurück nach Montreal gepaddelt. Von ihnen stammen die französischen Ortsnamen in den US Rockies. Um diese Reise abzukürzen und die Jagdzeit zu verlängern wurde travellers rest bei Lolo ins Leben gerufen. Wir haben davon gehört. Darauf geht die Parkbroschüre aber nicht ein. Der Park besteht aus einer Vielzahl von Inseln und Seen. Mit dem Auto kann man nicht viel erreichen. Ein Boot wäre besser, habe ich aber nicht. In einem visitor center erklären mir 2 ehrenamtlich arbeitende Renter, warum die Bieberdämme wasserdicht sind. Die Bieber dichten sie mit Lehm ab. Die Dämme und die Überschwemmung dahinter sind ökologisch wichtig, da die Bäume absterben und nach dem Wegzug der Bieber nach 1 Saison die Dämme irgendwann undicht werden und brechen. Dann können neue Bäume wachsen und der Baumbestand wird verjüngt.
In der Nähe ist ein Grenzübergang nach Ontario, wo ich jetzt hinfahre. An der Grenze ist nicht viel Betrieb, und ich benötige nur ein paar Minuten nach drüben.
Eigentlich wollte ich an dem Nachmittag noch auf einen Camping in Thunder Bay fahren. Ein Schild „Pow Wow“ am Straßenrand macht mich neugierig, und ich biege ab. Der Stamm der Nigigoonsiminikaaning veranstaltet es. Weiße sind willkommen und fotografieren darf ich auch. Jede Woch gibt es ein Pow Wow in der Gegend, daß von einem anderen Stamm organisiert wird. Es dauert jeweils 2 ... 4 Tage. Die Feier findt im Freien am Strand von einem See statt. Das Wetter ist sonnig. 2 Tänzer in Tracht frage ich noch einmal, ob ich sie fotorafieren darf und lasse mir dann die Bedeutung der einzelnen Teile der Tracht erklären. Fast alle Ansagen werden auf englisch gemacht. Nicht wegen den Weißen, sondern weil nicht mehr alle Indianer die eigene Sprache beherrschen. Die Kids lernen sie wieder in der Schule. Das bum bum bum der Trommeln und das hay ja hey der Sänger kommt mir zu Beginn sehr eintönig vor. Ich frage einen Indianer, woher die Leute wissen, wann das Lied zu Ende ist, und sie aufhören müssen zu spielen bzw zu tanzen. Die Musik ist wie europäische Musik strukturiert, es gibt einen Vorsänger, und die Strophen werden 4 oder 8 mal wiederholt. Ich kann das erst nicht glauben. Die indianischen Tänzer können das heraushören. Sie bleiben immer beim letzten Schlag der Trommel stehen. Nachmittags wird ein Tanzwettbewerb aller Altersklassen durchgeführt. Unterschiedliche Temperamente und Stile sind erkennbar. Beim gemeinsammen Tanzen am Abend ist der Andrang groß. Die meißten indianischen Tänzer tragen traditionelle Kleidung, wenige westliche. Einer der Tänzer fordert mich auf, mitzutanzen. Ich habe zwar 4 mal einen Anfängerkurs in der Tanzschule besucht, ich bin also der erfahrene Tänzer und prädestiniert für schwierige Aufgaben, aber das möchte ich bei den vielen Zuschauern doch nicht mitmachen. Nach einiger Zeit kann ich doch eine gewisse Varianz des hay ja hey heraushören, und auch die Trommeln sind nicht mehr so eintönig, wie zu Anfang gedacht. Alle Besucher werden zum Essen eingeladen. Es gibt Fisch. Roter Alarm für mich. Ich schaue mir das Essen erst mal kritisch an. Es gibt Lasagne, Bohnen, Kartoffeln, Pizza, Spagetti, Fisch, der für mich akzeptabel ist, und einiges andere. Und als Nachtisch verschiedene Kuchen. Das sieht nicht traditionell aus. Alkohol und Drogen sind streng verboten, und werden mit Platzverweis bestraft. Ich bin hier nicht der einzige Touri. Am Vortag war noch einer zu Besuch, der mit dem Rad von Küste zu Küste fährt. Am nächsten Tag habe ich den Radfahrer auf der Straße getroffen. Er will mit dem Rad weiter an der Ostküste bis nach Argentinien fahren. Dann mit einem Motorrad an der Pazifikküste bis mach Alaska. Die Straße nach Thunder Bay, der Trans Canada Highway, verläuft ca. 300 km durch Wald. Der Verkehr ist sehr gering. Es scheint viele Seen zu geben, die ich manchmal zwischen den Bäumen ganz kurz sehen kann. Gelegentlich zweigen Schotterstraßen zu Wohn- oder Ferienhäusern in den Wald ab. Es gibt auch ein paar Hotels für Fischer und Jäger. Die Landschaft ändert sich auf den nächsten 1350 km des TCH, die ich in 2 Tagen durchfahre, nicht im geringsten. Die Bevölkerungsdichte erhöht sich geringfügig, und im Bereich von größeren Orten gibt es etwas Landwirtschaft. In Sault St. Marie möchte ich die Schleusen, die den lake Superior und den lake Huron verbinden, besichtigen. Man kann auf kanadischer Seite nur eine kleine, historische Schleuse sehen. Die Straße und der Wald nehmen absolut kein Ende, und es gibt sonst nichts zu sehen. Die Landschaft erinnert mich an Skandinavien. Wer diese eintönige, oftmals holprige bis sehr holprige Straße nicht gesehen hat, hat nichts versäumt. Irgendwo im Nirgendwo sehe ich 2 Wanderer am Straßenrand mit Rucksack und Wanderstab. Auf einem Parkplatz spricht mich ein Franzose an, dem mein Nummernschild aufgefallen ist. Er kann kein Wort englisch oder deutsch. Die Unterhaltung ist schwierig. Er hat in Quebec ein Womo gekauft und fährt dieses Jahr durch die nördlichen USA und Kanada. An Weihnachten stellt er sein Womo unter und fliegt nach Hause zu den Bambini. Nächstes Jahr fährt er nach Alaska und 2011 nach S Amerika.
Die Dieselversorgung in Can. ist etwas schlechter als in USA, und ich musste zum Tanken ein Stück zurückfahren.
Ich fahre zum Algonquin Provinz Park. Am Vorabend haben mich 2 Touris aus D angesprochen. Auch sie haben den Park empfohlen. Die Straße durch den Park ist eine normals Landstraße, und es fahren auch LKWs. Die Straße verläuft genauso wie die letzten 1000 Meilen durch endlosen Wald. Es ist nur selten etwas zu sehen. Es gibt einige Wanderwege. Einen bin ich entlanggelaufen. Er war mit 2 h angegeben, und ich bin ihn in einer ¾ h gelaufen. Landschaftlich kein Höhepunkt. Einige Stellen außerhalb vom Park haben mir da besser gefallen.100 km östlich vom Park nimmt die Bevölkerungsdichte weiter zu, und es dominiert Landwirtschaft.
Es ist Ende August und die Temperaturen werden langsam herbstlich und die 1. Blätter an den Bäumen verfärben sich bereits.
Die Fahrt auf der Autobahn durch Montreal war ziemlich nervig. Ich bin also in Quebec. Das Englisch der Einheimischen ist, positiv ausgedrückt, ausbaufähig, und die Aussprache vom Französisch ziemlich ungewohnt. Aber richtiges Brot muß es hier geben. Nein, das war nichts. Nur eins können sie wie die Franzosen: Autofahren. Ich fahre auf dem Hwy 155 von Trois Rivieres zum Lac Saint Jean. Die Straße führt, wer hätte es gedacht, durch endlosen Wald. Der See scheint größer als der Bodensee, und er liegt in einer weiten Ebene, die landwirtschaftlich genutzt wird. Hier kommt es mir nicht mehr amerikanisch vor. Ich habe das Gefühl, ich wäre überhalb vom Polarkreis, vielleicht am Inari See. Das Gebiet liegt aber auf der geografischen Höhe von Frankfurt. Chicoutimi, wo ich übernachte, ist eine überraschend große, alte Stadt. In der Nähe vom See gibt es mehrere, teils riesige Campings. Hier sind nur einheimische Touris unterwegs.
Die Landstraße nach Quebec führt durch einen NP. Sie ist 4 spurig ausgebaut bzw eine eine große Baustelle. Der Park besteht natürlich aus Wald bis zum Horizont. Die Wege im Park sind geschottert und ein visitor center gibt es nicht. Bewertung: nicht sehenswert.
In Quebec fahre ich ungewollt durch die Altstadt. Es ist sehr viel Betrieb. Polizei regelt überall den Verkehr und hat einige Straßen abgesperrt. Als ich durch die Unterstadt laufe, fliegt die Luftwaffe ca. 20 min lang Kunststücke am Himmel. Da ist meine Position in den schmalen Straßen nicht optimal. Touristenmassen schieben sich durch die Altstadt und ich lasse mich mitschieben. Diese Massen sind nicht mein Fall. Ich bin leider am falschen Tag zu Besuch. Quebec ist eine schöne Stadt, vielleicht die schönste in N Amerika, nur das Wetter in Chicago war deutlich besser. Leider weiß das Mädel an der Campingplatzrezeption nicht, was in der Stadt los ist.

Die Niagara Fälle habe ich diesmal nicht besucht, da war ich schon 2 mal. Die sind aber unbedingt sehenswert. Bevorzugt von der kanadischen Seite, da ist die Sicht am besten.
 
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:danke::pro:

Gypsy
 
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:danke::pro:
 
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Hi!

Danke auch von mir, wieder mal sehr lesenswert!

Gruß,
CHR
 
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:danke: Werner!
 
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:danke::pro: echt Klasse zu lesen.
 
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Schade, dass Du nicht mehr Zeit für Chicago hattest. Allerdings doppelt schade, dass Du Chicago bei solchem Wetter besuchen musstest.

Chicago hat obwohl es nach dem grossen Feuer fast komplett neu aufgebaut wurde in meinen Augen mit die lebendigste Geschichte aller amerkanischen Grosstädte.
Wenn man Zeit und Musse (und genügend Kleingeld!!) hat Chicago zu Fuss zu erkunden findet man wohl in kaum einer anderen Stadt soviele Ecken, die einem bekannt vorkommen. Die Filmemacher lieben die Stadt. Dazu gibt es wohl kaum eine Stadt auf der Welt, wo man einem Verbrecher ein Denkmal setzt wie es mit Capone in Chicago passiert.
Egal in welchem besseren Restaurant, Steakhouse oder Club man sich trifft. Überall stösst man auf Spuren von Capone und seinen Kontrahenden. Das geht soweit, dass ein Steakhouse bis heute einen Raum nicht renoviert, weil dort angeblich immer noch Kugeln von einer der zahlreichen Schiessereien, die Capone überlebt hat, in der Wand stecken. Überhaupt scheint der Gürtel um die handvoll Häuserblocks, die die Skyline prägen fast ausschliesslich aus Restaurants, Clubs, Bars und Themenkneipen zu bestehen, die alle eine Geschichte zu erzählen haben.

Was Chicago darüberhinaus so sehenswert macht sind die Bestrebungen der Stadt den Innenstadtbereich penibel sauber zu halten. Jeden Morgen zwischen 5 und 6 werden sämtliche Bürgersteige und U-Bahneingänge mit dem Hochdruckreiniger gereinigt. Kaugummispuren findet man in der Innenstadt kaum.
Der Grüngürtel zur Marina / dem Navi Peer und dem Adler Planetarium ist die öffentliche Veranstaltungsfläche schlechthin. Das Erlebnis des Jazzfestivals Anfang September sollte man einmal mitgemacht haben...

Auch wenn das Lied von Clueso eigentlich traurig ist. Eine Textzeile brennt sich ein wenn man einmal im Sommer in Chicago war:
Und sie träumt von Chicago, von Chicago Dort wo niemand, niemand ihren Namen nennt.

Ansonsten liest sich Dein Reisebericht wie immer interessant und ich kann kaum erwarten selber wieder rüberzufliegen ;)

Wird aber wohl noch ziemlich genau 11 Monate dauern....
 
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