AW: Hat noch jemand Kinder auf der Realschule?
Bitte, liebe angesprochene User, nehmt das jetzt nicht zu persönlich,
ja, das ist ein guter Hinweis und nein, das mache ich nicht.
aber ich finde die Perspektive derer, die sich hier als Lehrer geoutet haben, doch bemerkenswert:
Ich habe....., ich mache....., meine Frau hat....., meine Kollegin hat..... Lauter positive Einzelmeldungen.
Das kam dann falsch rüber
, es war nicht meine Absicht, in einem anonymen Forum "tolle Dinge" von mir zu erzählen. Das habe ich nicht nötig. Zu meinen Absichten:
- In den ersten Beiträgen wurde doch recht frustrierende Erfahrungs-Beispielen mit Jungendlichen genannt (dort hieß es übrignes auch ...
meine Lehrlinge
...).
Dem wollte ich ein paar positive Beispiele gegenüberstellen. Gerade in einem Forum mit einer hohen technischen Affinität könnte man doch darüber froh sein,
dass es fähige, intelligente Jugendliche gibt, die sich sehr stark für die Technik interessieren. Da die Schüler das Projekt eigenständig gemacht haben
(meine Kenntnisse sind dafür nicht ausreichend) ging es mir keineswegs um meine Person.
- Die Tasache, dass ein Lehrkörper pauschal als oft krank und kaum motiviert oder unföhig beschrieben wird, hat mich schon geärgert. Nicht nur weil es so nicht zutrifft:
http://www.spiegel.de/schulspiegel/...nn-der-mathelehrer-rechnen-muss-a-689146.html
sondern vor allem auch, weil solche Vorurteile keinem helfen. Deshalb habe ich neben strukturellen Probelmen auch einzelne Beispiele genannt. Gerne kann ich meine Aussagen
zu dem Thema auch allegmein und nicht ichbezogen formulieren, diese beziehen sich dann auf das Gymnasium in Bayern.
- Meine Ausführungen zu Eltern bezogen sich auf Elternverbände, wie z.B. die LEV, die einen sehr starken Einfluss haben (-> Wählerstimmen). Ansonsten arbeiten Lehrer natürlich
hauptsächlich mit den Schülern in der Schule, wo Eltern erst einmal außen vor sind.
Hier schafft es keiner, sein gesammeltes Kollegium mal ehrlich zu beurteilen, geschweige denn, wesentlich über den Tellerrand der eigenen Schule zu blicken.
Warum eigentlich nicht???
Ich gehe mal davon aus, dass Dir folgende Fakten und Strukturen nicht bekannt sind:
- Jedes Fach hat einen Fachbetreuer. Der ist für das fachliche Niveau an der Schule verantwortlich. Dazu schaut er alle geschriebenen Arbeiten stichpunktartig an,
leitet Fachsitzungen und begleitet den Schulleiter bei Unterrichtsbesuchen.
- Da man. z.B. in der Physiksammlung die Versuchsaufbauten der Kollegen sieht (wann führt welcher Lehrer welchen Versuch wie vor) und auch mit offener Tür unterrichtet
wird, bekommt man auch von der Seite einen Eindruck
- Es ist üblich, dass Klassenarbeiten in Parallelklassen abgesprochen oder sogar gleichzeitig geschrieben werden. Spätestens bei der Nachkorrektur und der Besprechung
vom Abitur hat man einen ganz guten Eindruck von Fachkollegen.
- Die Fachbetreuer sind regelmäßig auf Regierungsbezirksebene auf Tagungen. Die entsprechenden Referenten stehen über das ISB mit dem KM in Kontakt usw. Daher ist
der Austausch der Schule mit anderen Schulen möglich, da die Fachbetreuer die Informationen/ Anweisungen an der Schule in Fachsitzungen weitergeben
- einzelne, wenige Kollegen sind auch auf internationalen Fortbildungen und Kongressen, über Partnerschulen bekommt man ebenfalls eine Einblick in andere Schulsysteme
- In den Klassen 6, 8 und 10 werden in den Fächern Mathe, Deutsch, Englisch Vergleichsarbeiten geschrieben. Jede Schule bekommt eine Rückmeldung, ob sie im 1. oder
2. Viertel des Regierungsbezirkes ist (Bayern hat 8 Regierungsbezirke). Da bekommt man ebenfalls ein quantitatives Feedback als Schule.
- Bei Wettbewerben auf Bundesebene kann man ebenfalls sehen, ob die Quote der Preisträger deutlich über dem Durchschnitt liegt.
- Neben vielen, die motiviert sind, gibt es auch nicht wenige, die Dienst nach Vorschrift machen. Leider gibt es auch "Totalausfälle". Ihr Anteil ist nicht zwangsläufig höher
als in Großunternehmen, das Problem ist allerdings, dass man sie nicht aus dem Verkehr ziehen kann und die wenigen bei Kindern einen großen Schaden anrichten können.
Es bleibt einem Kollegium nicht verborgen, wenn Schüler im Unterricht zum Bäcker geschickt werden oder im Klassenzimmer ein Video läuft und der Kollege in der Zeit in
der Tiefgarage nachtankt ... es scheint aber so zu sein, dass der Anteil der "Ausfälle" im musisch-künstlerischen und sprachlichen Bereich höher ist... das kann aber auch täuschen,
es gibt keine Studien dazu ...
- Es ist auch bekannt, dass doch ein paar Lehrer gern in der Unterrichtszeit auf Fortbildung gehen, weil dies angenehmer ist, als sich mit den Schülern rumzuärgern, man
könnte ruhig die Fortbildungen grundsätzlich in die Ferien legen... dazu gibt es auch keine Studien und Ranglisten
...
Wir User, die wir Chefs sind, stehen jeden Tag im Wettbewerb und müssen sehen, was unsere Betriebe insgesamt leisten. Da hilft es nichts, wenn wir uns als Chefs (und das gilt im Prinzip auch für alle abhängig beschäftigten User) den Popo bis zum Nacken aufreissen, wenn der Rest der Truppe nicht mal zum Gurkenpflücken taugt!
Das ist in der Schule auch nicht anders: Was bringt es, wenn ein Lehrer Disziplin, Hausuafgaben, Zwischenschritt usw. einfordert und dem nächsten ist es egal. Deswegen muss ein Fachbetreuer auch dafür sorgen, dass die Anforderungen bei Parallelklassen ähnlich sind und der Lehrplan eingehalten wird. Es ist auch bekannt, dass die Möglichkeiten hier zu handeln, im Vergleich zur Wirtschaft deutlich geringer, aber trotzdem vorhanden sind (Prämie/Beurteilung/Beförderung). Gerade wurde ein Gesetz verabschiedet, dass neben den Fachbetreuern noch Teamleiter als mittlere Führungsebene eingesetzt werden soll, ensprechende MOdelle werden seit über 5 Jahren erprobt.
http://www.bildungspakt-bayern.de/f...lder/projekte/MODUS_F/modusF-Handreichung.pdf
Kehren wir mal zum Grund unseres Hierseins zurück. Viele hier meckern mehr oder weniger berechtigt über Qualitätsmämgel am T5.
Oh ja! Da kommen doch die wenigsten drauf, dass dies an unmotivierten Ingenieuren liegt, die oft krank sind - oder?
Sicherlich kann man ja auch nicht sagen, dass es keinen 6-Zylinder gibt, weil die VW-Ingenieure zu dumm dazu sind.
Wenn in einem Ort eine Schule es schafft, mit den gleichen Haushaltsmitteln wie auch immer einen deutlich besseren Untericht mit besseren Abgängern zu machen, hat das 0,0 Bedeutung für die anderen Schulen am Ort. Es muss da keinen jucken. Die Schüler sind einem ja a) sicher und b) ausgeliefert (sorry, klingt hart, ist doch aber so).
Bei größeren positiv bzw. negativen Abweichungen vom Durchschnitt in zentral gestellten Abschlussprüfungen müssen entsprechende Maßnahmen ergriffen werden.
Komisch, die Bildungspolitik scheint noch immer im Geiste von Walter und Erich zu Denken - freier Wille und freier Markt sind dem ungebildeten Volk nicht zuzumuten.
Das habe ich leider nicht verstanden
.
Was würde denn passieren, wenn alle Schulbezirke aufgehoben und die Schulen dem Wettbewerb "ausgeliefert" wären. Bekämen wir dadurch nach einer sicher unschönen Übergangszeit unterm Strich schlechtere Ergebnisse?
Ich dene - NEIN!
Vor allem in Ballungsräumen würde sich sehr viel ändern. Wenn einer beliebten Schule erlaubt würde, Schüler nach Notendurchschnitt auszuwählen, würde dies eine Kettenreaktion auslösen: Leistungsfähigere Schüler -> es bewerben sich
motivierte Lehrer -> die Ergebnisse werden noch besser usw. Diese Tendenzen können bei Modellversuchen innerhalb einer Schule schon jetzt beobachtet werden (
http://www.verwaltung.bayern.de/ego...begabtenklassenanbayerischenGymnasien2009.pdf). Es gibt Länder, die den Schulen diese Freiheit geben, das Ergebnis ist fatal: Die Bestehensquote im Abitur schwankt auf Kreisebene zwischen 15% und 60% (
http://www.gandul.info/news/rezultate-bacalaureat-2012-publicate-online-edu-ro-9830135) auf Schulebene zwischen 5% und 95%.
Und falls noch jemand mitliest, ein paar Gedanken zu den sonst gestellten Themen:
- Realschule kann - zumindest in Bayern - für bestimmte Konstellationen (kein 2. Fremdsprache/ Schwerpunkt Technik) eine echte Alternative auch zum Gymnasium sein.
- In den letzten Jahren wurde die Wiederholerquote halbiert
. Das liegt an der Möglichkeit, eine Nachprüfung zu machen oder unter bestimmten Voraussetzungen auf Probe
vorzurücken. Auch wenn das Wiederholen nicht immer eine Lösung ist (Schulwechsel, Internat, intensive Betreuung ... können auch eine Lösung sein) kann es nicht ganz
abgeschafft werden. Es muss eine Stelle im System geben, an der nicht mehr "durchgewunken" wird. Wünschenswert wäe es schon, dass man möglichst viele Schüler auf ein
Mindestniveau bringt - bei allen wird man es allerdings nicht schaffen.
Gute Nacht,
Hans Paul